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Buchrezension – Scrum von Boris Gloger

Von Zeit zu Zeit stoße ich auf Bücher, bei denen es sich tatsächlich lohnt diese von Anfang bis Ende durchzulesen. So ein Buch ist Scrum: Produkte zuverlässig und schnell entwickeln von Boris Gloger .

Prädikat: Hohe Praxisrelevanz!

In über 300 Seiten bündelt der Autor sein Wissen zu einem hervorragenden Kompendium, das ich selbst unter anderem für eine Inhouse Schulung mit meiner Abteilung nutzen konnte. Die Praxisrelevanz wurde mir dabei so richtig bewusst, als auf mehreren Community Treffen (wie dem Open Space) genau die Fragen aufkamen, die Boris in seinem Buch angeht. Schon während dem Lesen passierte es mir deshalb immer wieder, dass sich neue Fragen bereits kurze Zeit später von selbst klärten. In einem Kapitel wird beispielsweise klar kommuniziert, dass eine Vision essentiell ist, am Anfang der Entwicklung stehen und dem Team deutlich vermittelt werden muss. Mit dem Hintergrund, dass wir an unserem hauseigenen ERP-System bereits seit vielen Jahren entwickeln, fragte ich mich, inwieweit dies auch auf bestehende Produkte zutrifft und wie dem Rechnung zu tragen sei. Bereits zwei Seiten später wurde mir die Frage beantwortet. Selbst von manchen fälschlicherweise als Nichtigkeit abgetane Feinheiten werden berücksichtigt: Der Begriff Team ist für sich nicht eindeutig und lässt in der Praxis in Gesprächen immer wieder Missverständnisse entstehen. Dabei ist nicht klar, ob mit Team alle am Produkt beteiligten Personen oder nur das Entwicklerteam gemeint ist. Schade ist an dieser Stelle nur, dass der Autor zwar bemüht ist, klar zu differenzieren, aber hin und wieder dieser Ungenauigkeit verfällt.

 

Schwerpunkt

In einer Rezension von Chip.de heißt es, dass der gefühlte Schwerpunkt auf Scrum in großen Organisationen liegt. Es ist richtig, dass der Autor stets bemüht ist Fragen, die in diesem Kontext aufkommen, zu beantworten. Persönlich sehe ich aber den Schwerpunkt auf der Philosophie, den Prinzipien und Werten hinter Scrum. Das zeigen zum einen die Verweise auf weiterführende Literatur. Leading Change, Start With Why, First, Let’s Fire all the Managers, Creativity under the Gun oder Die Idee des Management 2.0 sind nur ein paar Bücher, aus denen rezitiert wird. Zum anderen zeigen das die durchdachten Aussagen, die ich dermaßen deutlich bisher noch nirgends lesen konnte. Boris vertritt z.B. die Meinung, dass “Scrum seinen Ursprung nicht in der Lean Production hat. So richtig das ist – der Ursprung liegt im Wissensmanagement”. Weiter stellt er klar: “In Wahrheit handelt es sich bei Scrum also um eine Produktentwicklungsmethode und nicht um eine Projektmanagementmethode”. Im Subtext schwingt beim Lesen einfach mit, dass die Basics genauso durchdacht und in Frage gestellt wurden wie es für das Experten Know How der Fall ist. So verwundert es nicht, dass er auch gleich mit der typischen 3-Rollen-Gliederung in Scrum aufräumt und ein 6-Rollen-Konzept vorschlägt. Sicherlich etwas, das oft an Scrum kritisiert wird. Deshalb weiße ich an dieser Stelle explizit darauf hin, dass gerade die Anfangskapitel nicht übersprungen werden sollten, nur weil es sich um vermeintliche Banalitäten handeln könnte. Dort finden sich richtige Erkenntnisperlen.

 

Entwickler sind nicht außen vor

Als Developer freut es mich besonders, dass Boris auf Entwicklungspraktiken wie Continuous Integration, Test Driven Development und Configuration Management als essentiell und erfolgsentscheidend hinweist. Nicht nur hinweist, sondern dem Ganzen auch die nötige Anzahl Seiten widmet. Darüber hinaus wird auch von technischer Schuld und den damit einhergehenden Problemen gesprochen. Ich stelle immer wieder in Gesprächen mit Product Ownern oder Scrum Mastern fest, dass ihnen der Begriff Evolvierbarkeit und die dahinter lauernden Falle, besagte technische Schuld, nicht geläufig ist. An die geneigten Leser, denen der Begriff ebenfalls nichts sagt: Füllt diese Wissenslücke!

 

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Weniger gefallen haben mir die Illustrationen und Bilder, welche zum einen in Deutsch, zum anderen in Englisch und wieder welche in beiden Sprachen beschriftet wurden. An einigen wenigen Stellen gelang es ihm nicht seine Gedanken klar genug zu formulieren, sodass ich ihn über Twitter oder über eine seiner Mitarbeiterinnen um Aufklärung bat (welche ich dann auch erhielt). Dabei handelt es sich nicht um subjektives Empfinden, da meine Kollegen die Aussage ebenfalls nicht verstanden. Darüber hinaus ist bei dem Buchkauf zwar eine kostenlose Ausgabe des eBooks im PDF Format enthalten, eine Kindle Ausgabe sucht man leider genauso vergebens wie eine epub- oder mobi-Version. Außerdem stieß ich auf mehrere Fehler in der vierten Auflage, darunter falsche Kapitelverweise und nicht mehr erreichbare Links. Diese werde ich dem Autor zukommen lassen. Vielleicht ringe ich ihm dafür ein kurzes Interview ab?!

 

Fazit

Lesen – von Anfang bis Ende!

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Buchrezension – Nur Tote bleiben liegen

Change Management? Lächerlich! Das ist wie der Versuch, in den Schlössern die Monarchie zu reformieren, während draußen die Revolutionäre schon schießen.

Und damit ist schon vieles über das Buch von Anja Förster und Peter Kreuz namens Nur Tote bleiben liegen: Entfesseln Sie das lebendige Potential in Ihrem Unternehmen gesagt. Es strotzt nur so voller mitreißender Phrasen und Zitate, es weckt die Lust zur Veränderung und thematisiert viele der heutigen Probleme in Unternehmen.

Das Web ist der Reality-Check für jedes Zukunftsszenario. Die Strukturen im Internet sind die Blaupause für zukünftige Entwicklungen.

Nach der Meinung der Autoren geht es in der heutigen Zeit einzig und allein um Innovation, welche nur durch das Aufbrechen alter Strukturen und revolutionärer Ansätze möglich ist. Vorwiegend beziehen sie sich dabei auf die Arbeit an sich, d.h. wie wird mit Mitarbeitern umgegangen, welche Funktion haben in Zukunft Führungskräfte, welche Arbeitsatmosphäre muss geschaffen bzw. abgeschafft werden.

Aus der Seele spricht mir folgender Auszug, welchen ich auch als Grundlage für meinen Blogeintrag Lob ist Gift genommen habe:

Es ist auch jeder selbst dafür verantwortlich, am Abend mit dem zufrieden zu sein, was er den ganzen Tag gemacht hat. Da ist kein Chef mehr, der ständig sagt: „Super Leute“ Ich bin so stolz auf euch!“

Im großen und ganzen decken sich die Aussagen mit den modernen Konzepten der Personal- und Unternehmensführung, wie sie in der einschlägigen Literatur zu finden, in Betrieben aber noch selten anzutreffen sind. Als Beispiel sei der Blick auf den Vorgesetzten genannt, welcher in Zukunft mehr die Rolle des Coach einnimmt und dem Mitarbeiter hilft sich zu entwickeln, statt ihn zu bevormunden und Arbeitsanweisungen zu geben. Übrigens etwas, dass ich gestern erst wieder im Buch Scrum: Produkte schnell und zuverlässig entwickeln von Boris Gloger gelesen habe. Alternative Literatur gibt es also durchaus, allerdings beeindruckte mich der enthusiastische und mitreißende Schreibstil, sowie die vielen Praxisbeispiele. Demnächst werde ich ein Telefonat mit einer der darin genannten Firmen namens CPP Studios aus Offenbach führen. Diese haben sämtliche Lohntabellen offen gelegt, feste Arbeitszeiten annähernd abgeschafft und einen kontinuierlichen Arbeitsplatztausch implementiert.

Allerdings ist auch zu kritisieren, dass die Autoren häufiger Gleiches in neue Worte verpacken und das Buch dadurch unnötig in die Länge ziehen, wodurch nach 5 Seiten spannendem Text 10 Seiten langatmiges Wiederkauen keine Seltenheit sind.

Die Digital Natives sind „Vorreiter neuer Lebens- und Arbeitsmodelle … Talente müssen sich nicht den Strukturen eines Konzerns unterordnen, sondern der Konzern muss sich an den Bedürfnissen seiner Talente ausrichten.“

Leider dient nahezu ausschließlich das Internet und dessen Möglichkeiten als ideales Werkzeug zur Implementierung einer Innovationskultur. Darin begründet liegt wohl auch die Tatsache, dass die Autoren oftmals konkrete Maßnahmen schuldig bleiben. Ich stimme dem Duo zu: Mitarbeiter müssen lebenslanges, eigenständiges Lernen lernen und als Führungskraft ist es meine Aufgabe selbige dorthin zu bringen. Aber was sind dafür probate Mittel? Diese Antwort bleibt man meiner Ansicht nach schuldig.

Summa summarum eine klare Buchempfehlung, welches bereits die Kollegen in meiner Abteilung in Angriff genommen haben. In ihrem Vorgängerbuch Different Thinking, welches ich hier rezensiert habe, werden andere Schwerpunkte gesetzt, sodass sich die Bücher nicht vergleichen lassen. Für Personalverantwortliche und Führungsköpfe empfehle ich aber hiesiges Buch.

Buchrezension – Different Thinking

Nachdem ich zuvor das Buch Nur Tote bleiben liegen (Rezension folgt) von Anja Förster und Peter Kreuz gelesen hatte und begeistert war, konnte ich es nicht erwarten Different Thinking!: So erschließen Sie Markchancen mit coolen Produktideen und überraschenden Leistungsangeboten in den Händen zu halten. Letzteres kam 5 Jahre zuvor heraus.

Die Autoren wissen zu anfangs durch Zitate und mitreißende Phrasen die Lust am Lesen zu wecken. Sei es nun mit der Aussage von Rupert Murdoch „Es gibt da draußen noch Welten zu erobern” oder Guy Kawasaki mit „Wer eine Revolution schaffen will, muss Bedenken daher unbedingt ignorieren”, die Autoren stellen gleich klar: “Es ist […] nicht […] einfach, weil der Weg zur Veränderung mit den Einwänden von Skeptikern gepflastert ist.”

Was folgt sind 216 Seiten mit Beispielen aus allen Bereichen, in denen Unternehmen durch neue, mehr oder weniger innovative Geschäftsmodelle den Markt erobert bzw. neu definiert haben. Wenn man mich vorher gefragt hätte, ob sich bei Stabilos, Leitz-Ordnern oder Legos noch Gewinnmargen erzeugen oder Differenzierungsmerkmale kreieren lassen, hätte ich ‘Nein’ gesagt. Die Autoren belehren uns eines Besseren.

Anja Förster und Peter Kreuz untermauern mit knapp 200 Unternehmensbeispielen immer wieder ihre Kernthese:

“Sie dürfen nie und nimmer glauben, dass Sie sich in einer stagnierenden Branche befinden. Es gibt keine stagnierenden Branchen, nur stagnierende Manager, die sich gedankenlos das zu Eigen machen, was andere für möglich halten” (S. 71).

Die Mittel dazu sind – natürlich – Innovation, Wagemut und ein wenig Ignoranz (gegenüber Kritikern versteht sich). Leider bleibt es bei dieser Aussage auch, die für Manager nicht so weltbewegend neu sein dürfte, schließlich pfeifen das sowieso gefühlte 99% von den Dächern. Vielmehr sollte der Leser die genannten Erfolgsmethoden nochmal als Ansporn sehen, sich nicht hinter Ausreden zu verstecken, wenn es um gravierende Umwälzungen geht. Die Beispiele geben in jedem Fall gutes Futter gegen Skeptiker.

Alles in allem bleibt das Buch vor allem in Hinblick auf seinen Nachfolger hinter meinen Erwartungen zurück, aber auf Grund des angenehmen Schreibstils ist das Buch schnell zu konsumieren, sodass der Leser in kurzer Zeit sich (neu-) motivieren und “Beweismaterial” für die Geschäftsleitung sammeln kann.

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